Michel Bréal wurde am 26. März 1832 in Landau i. d. Pfalz geboren. Sein Leben wäre der Stoff für einen deutsch-französischen Bildungsroman des 19. Jahrhunderts gewesen. Von Landau aus gelingt ihm eine außergewöhnliche Karriere und der Aufstieg in die höchsten Kreise der Weltstadt Paris. Bréal starb am 25. November 1915, sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Montparnasse. Michel Bréal gilt als einer der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit; er studierte in Paris und Berlin, erwirbt Kenntnisse in den verschiedensten indoeuropäischen Sprachen, wird Professor für Vergleichende Grammatik, zunächst an der École Pratique des Hautes Études, dann auch am Collège de France, er erhält die Ehrendoktor-Würde der Universitäten Zürich und Bologna und wird Mitglied des renommierten Institut de France. Michel Bréal ist mit seinem Essai de sémantique von 1897 der wichtigste Wegbereiter der modernen Semantik. Ihm gelingt es, sowohl national wie auch international eine neue sprach-wissenschaftliche Teildisziplin zu etablieren und die bis dahin vorherrschende sprachhistorische und sprachtypologische Betrachtungsweise zu überwinden. Hieran erinnert in Landau eine kleine Gedenktafel im Zentrum der Stadt. Gleichzeitig erwirbt sich Bréal hohes Ansehen als Bildungsreformer. In seiner Funktion als Inspecteur général de l’Instruction publique pour l’enseignement supérieur sorgt er für zahlreiche Neuerungen im französischen Schulsystem. Jules Ferry, der große Erziehungsminister der III. Republik und vehementer Verfechter eines laizistischen Schulwesens, beabsichtigt sogar, Bréal in sein Ministerium zu holen, was dieser jedoch ablehnt, um weiter als Wissenschaftler und Pädagoge tätig sein zu können. Eine besonders nachhaltige Wirkung erreicht Bréal als „Erfinder“ des olympischen Marathonlaufs. Gemeinsam mit seinem Freund Pierre de Coubertin propagiert er eine neue olympische Disziplin, eine Idee, die sich erstmals im Rahmen der Mitarbeit an der Organisation der Olympischen Spiele 1896 in Athen verwirklichen läßt. Aufgrund seiner vielen Initiativen und seiner breitgestreuten Tätigkeitsfelder hat Michel Bréal nicht nur Zugang zu den Spitzen der Politik, er verfügt auch über beste Kontakte zu Wissenschaftlern, Künstlern und Intellektuellen, u.a. zu Marcellin Berthelot, einem bekannten Chemiker, Schriftsteller und Minister, dem Romanisten Gaston Paris, dem Historiker Gabriel Monod, dem Orientalisten Ernest Renan. Das Haus Bréals wird zu einem wichtigen Treffpunkt der Pariser Oberschicht. Zum Freundeskreis gehört ebenfalls der Schriftsteller Romain Rolland, der später die Tochter Bréals ehelicht. Über die Société de linguistique de Paris schafft Bréal zudem ein Forum für den fachinternen Austausch und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Deutsch-französische Krieg von 1870/71 bedeutet für Michel Bréal auch ein einschneidendes persönliches Ereignis. Scharfe Kritik übt er am Frankfurter Frieden und an den für Frankreich demütigenden Bedingungen, insbesondere die Abtretung der Ostprovinzen hält er für einen verhängnisvollen politischen Fehler. Gleichwohl ist Bréal weiter um Verständigung und Vermittlung zwischen den verfeindeten Ländern bemüht; dabei ist für ihn die Haltung vieler deutscher Wissenschafts-Kollegen, die jegliches Feingefühl und jegliche Großzügigkeit gegenüber Frankreich vermissen lassen, äußerst enttäuschend. Das wissenschaftliche Werk Bréals hat bislang vor allem im Ausland eine umfangreiche Würdigung gefunden. So erscheint z.B. 1991 eine englische Übersetzung der vor dem Essai de sémantique veröffentlichten Aufsätze Bréals.1 Im Vergleich dazu nimmt sich die Rezeption im deutschsprachigen Raum eher begrenzt aus. Anläßlich des 175. Geburtstags erscheint 2007 erstmals eine umfangreichere Publikation in der Reihe der Landauer Schriften zur Kommunikations- und Kulturwissenschaft, die einen Überblick über das wissenschaftliche, pädagogische und politische Wirken Bréals zu geben versucht.5
[1] Wolf; G. (Hrsg.) (1991): Michel Bréal: The Beginnings of Semantics. Essays, lectures and reviews. London: Duckworth. [2] Desmet, P. / Swiggers, P. (Hrsg.) (1995): De la grammaire comparée à la sémantique. Textes de Michel Bréal publiés entre 1864 et 1898. Leuven, Paris: Peeters. [3] Décimo, M. (1997): Michel Bréal 1832-1915. Catalogue de l’exposition tenue à l’occasion du colloque ‚Bréal et le sens de la sémantique’, 29 septembre – 12 octobre 1997. Orléans: Centre Charles Péguy; Bergounioux, G. (Hrsg.) (2000): Bréal et le sens de la Sémantique. Orléans: P.U.O. [4] Martínez Hernández, M. et al. (Hrsg.) (2000): Cien años de investigación semántica: de Michel Bréal a la actualidad, 2 Bde. Madrid: Ediciones Clasicas. [5] Giessen, H.W. / Lüger, H.H. / Volz, G. (Hrsg.) (2007): Michel Bréal – Grenzüberschreitende Signaturen. Landau: VEP. bbb
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